Im Pfandleihhaus herrscht noch keine Krisenstimmung
Kunden lösen vermehrt Edelmetall aus / Leichter Anstieg bei Versteigerungen von nicht abgeholten Wertgegenständen
Von unserem Redaktionsmitglied
Karin Stenftenagel
„Das muss alles Gold sein“, sagt die Kundin im Pfandleihhaus. Sie will mehrere Schmuckstücke und Münzen verpfänden. „Nix reden! Wer redet, ist verloren!“ ruft der Chef, vielen besser bekannt als Gold-Heinz. Beim Prüfen der Pfandgüter dürfe man sich nicht von allzu geschwätzigen Kunden ablenken lassen, erklärt er. Zwei junge Frauen bringen eine Schatulle, darin zwei gelbgolden glänzende Uhren. „Der Typ, der dir die geschenkt hat, den musst du in die Wüste schicken!“ rät Schmalzried. Die Frau lacht: Das habe sie schon. Schmalzried schickt sie weg, ohne einen weiteren Blick auf die Uhren zu verschwenden.
„Wenn einer ’ne Rolex am Arm hat, schau‘ ich mir die Schuhe an“, erklärt er. „Dann weiß ich, dass die Rolex falsch ist. Das Gleiche, wenn eine Frau mit Louis-Vuitton-Täschchen kommt, aber nach billigem Parfüm aus der Drogerie riecht.“ Die Zeit, das Pfand zu prüfen, könne er sich da sparen. Der Gold-Heinz nimmt kein Blatt vor den Mund. Zwei junge Männer bedenkt er mit wüsten Ausdrücken, doch die grinsen nur-auch Scherze dürfen beim Gold-Heinz derbe ausfallen. Ein Mittfünfziger hat seine Frist zum Abholen des Pfands knapp verpasst. Er möchte verlängern. „Ich schenk‘ dir die vier Tage“, sagt Schmalzried und stellt einen neuen Pfandschein aus. Mit den Worten „Gott beschütze dich“ verabschiedet er den Kunden. An Samstagen bilden sich vor dem Pfandleihhaus in der Karlstraße immer wieder lange Schlangen. Alles was wertvoll ist, wird hier als Pfand im Tausch gegen schnelles Bargeld angenommen.
Drinnen, hinter Doppeltüren und dicken Glasscheiben prüfen Heinz Schmalzried und seine Mitarbeiter die angebotenen Gegenstände auf Echtheit und aktuellen Geldwert, geben Pfandscheine aus oder kassieren Zinsen. Ein waches Auge, Erfahrungen und die richtigen Messgeräte zum Ermitteln des Edelmetall-Gehaltes sind dazu notwendig. Drei Monate läuft jeweils die Frist, bis zu der das eingelagerte Pfand abgeholt werden muss, erklärt Schmalzried.
Verlängerungen sind möglich, wenn die Zinsen für das Bargeld-Darlehen rechtzeitig gezahlt werden. Vier Prozent seien das bei ihm, das sei aber auch gesetzlich geregelt. Für die Beleihung eines Gegenstandes, vom Diamantohrring bis zum Ferrari, werde immer nur ein Bruchteil des tatsächlichen Geldwertes ausbezahlt.
Denn: Holt der Kunde das Pfand nicht innerhalb der Frist ab, wird das Objekt versteigert. Dabei müsse mindestens der entliehene Betrag zuzüglich Zinsen abgedeckt sein. Die Zahl der Pfänder, deren Besitztümer in die Versteigerung gehen, sei zuletzt um etwa zehn Prozent gestiegen.
„Der Typische Pfandkunde kommt vom unteren Rand der Mittelschicht“, erklärt Schmalzried. „Da ist ständig das Konto überzogen, und wenn jetzt durch Kurzarbeit zehn bis 15 Prozent weniger Gehalt am Monatsende übrig ist, ist das oft genau das Geld, das für die Pfandzinsen fehlt.“ Vielen reiche auch die Rente nicht.
Seit Dezember ist gleichzeitig der Bestand in Schmalzrieds Pfandleihhaus um etwa zehn Prozent gesunken. Ob das durch die Corona-Krise bedingt sei, könne er nicht direkt sagen. In der Hochphase des Lockdowns Ende März Anfang April allerdings hätten viele ihr Pfand ausgelöst. „Das waren zum Beispiel Leute, die in der Gastronomie als Küchenhilfe oder als Reinigungskraft gearbeitet haben und ihre Jobs verloren haben.“ Sie hätten mit dem letzten Gehalt ihr Gold geholt und seien in ihre Heimatländer abgereist.
Gleichzeitig steige im Verkauf die nachfrage nach Gold in Form von Münzen und Barren. „Die Menschen haben Angst um’s Geld“, sagt Schmalzried. Am Computer zeigt er die Umsätze der letzten Tage: Wohlhabende Menschen kaufen bei ihm Edelmetall für Geldwert-Beträge im bis zu sechsstelligen Bereich.
Diesen Eindruck bestätigt Rainer Bauer vom gleichnamigen Pfandhaus in der Kaiserpassage. „Während der Corona-Hochphase sind die Leute gekommen und haben ihr Gold ausgelöst“, sagt er. Da man im Lockdown ohnehin weniger konsumieren konnte, hätten die Menschen genug Geld gehabt. „Man weiß nicht, wie es mit dem Geldsystem weitergeht“, sagt Bauer. Das spüre auch die Bevölkerung, die jetzt in Uhren oder Gold investiere. „Den Geld ist nur Papier.“ Jetzt eine Prognose abzugeben, sei aber reine Mutmaßung. „2009 haben auch viele gedacht, dass der Euro über den Jordan geht.“ Das sei nicht passiert, „aber es war knapp. Es ist nicht falsch heutzutage eine teure Uhr oder etwas anderes von Wert im Haus zu haben.“
Im 123-Kfz-Pfandleihhaus in der Ottostraße, das auf Anleihen von Fahrzeugen spezialisiert ist, herrscht laut Unternehmens-Pressesprecher Philipp Tasler „nicht unverhältnismäßig mehr“ Betrieb. Die Anfragen seien seit Corona zwar gestiegen, und es habe auch Verlängerungen der Leihfristen gegeben. „Viele Fahrzeuge konnten wir aber nicht beleihen, weil das ältere Objekte waren.“ Das Auto-Pfandleihhaus vergebe in der Regel Kredite erst in Höhe von etwa 2.000 Euro. „Unsere Kunden sind meist Selbständige“, sagt Tasler. Sie leihen sich Beträge im 10.000-Euro-Bereich. Auch bei 123-Kfz gab es im Lockdown aber auch mehr Auslösungen als sonst, womit man nicht gerechnet habe. „Das waren zum Beispiel Handwerker, die von der Krise nicht betroffen waren.“
„Die Corona-Krise trifft die ärmsten Bevölkerungsschichten als erstes“, schätzt Heinz Schmalzried. Wer genug Geld verdiene, sei im Moment meist noch entspannt, habe sich auch mit Kurzarbeit und der freien Zeit gut arangiert. „Aber was ist, wenn der Konsum weiter so flach bleibt? Wenn die Autozulieferer in Schwierigkeiten geraten?“ Es gehe ja nicht nur um Personalkosten, sondern auch um Lagerhaltung und Strom, so der Gold-Heinz. „So richtig knallen wird es erst im Spätjahr“, schätzt er.