Gold gilt als edel, sein Abbau ist es nicht. Die Folgen der Gier für die Umwelt sind verheerend, in vielen Minen schuften Kinder unter Tage.
Von natur-Autorin Roxana Isabel Duerr, Camarines Norte, Philippinen
Goldtaucher auf den Philippinen: lebensgefährliche Suche im Schlamm
(Foto: Roxana Duerr)
Ein malerischer Süßwassersee, umgeben von einer tropischen Hügellandschaft. Die Meeresbrise vom nahegelegenen Pazifik lässt ein treibendes Bambusfloß auf dem Seewasser schaukeln. Nur der ratternde Kompressor darauf bricht die Idylle. Unweit davon steht Amanda Santos, das Wasser reicht ihr fast bis zu den Schultern. Jeden Tag wäscht das junge Mädchen hier stundenlang Gesteinsschlamm im kühlen Wasser. Es ist kostbarer Schlamm, denn er enthält Gold. Bereits mit sechs Jahren begann Amanda, als Goldwäscherin zu arbeiten. Heute, mit 14, sagt sie: „Ich wäre eigentlich gerne in die Schule gegangen, aber als mein Vater starb, mussten meine Geschwister und ich mit anpacken. Ohne diese Arbeit hätten wir daheim nichts zu essen.“
Amandas Heimat wird auch die Goldküste der Philippinen genannt. Die Provinz mit dem Namen Camarines Norte liegt rund 300 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Manila und ist eine der ärmsten des Inselstaates. Dabei gibt es hier die landesweit größte Dichte an Goldvorkommen. Ob am Berg oder in Gewässern – unzählige kleine Goldminen reihen sich hier aneinander, die meisten sind illegal.
Bis zum Jahr 2012 ist der Goldpreis auf dem Weltmarkt stetig gestiegen: Ende 2002 lag er noch bei rund 320 US-Dollar pro Unze, im Jahr 2012 erreichte er einen Höchststand von etwa 1700 US-Dollar. Aktuell liegt der Weltmarktpreis immer noch bei 1300 US-Dollar. Die hohe Nachfrage nach dem Edelmetall führte dazu, dass weltweit an immer mehr Orten Gold abgebaut wurde. Es wird nach wie vor primär für die weltweite Schmuckherst
ellung verwendet. Aber auch als Wertanlage oder bei der Herstellung von Computern oder Handys spielt Gold eine immer größere Rolle. In der Medizin und der Raumfahrttechnik kommt es ebenfalls vermehrt zum Einsatz.
Die größten Goldförderländer sind derzeit China, Australien, Russland, die USA, Südafrika, Ghana und Peru. Was die Verarbeitung angeht, ist der Weltmarkt extrem konzentriert: Laut der Nichtregierungsorganisation „Public Eye“ teilen die sechs größten Raffinerien 90 Prozent des globalen Handelsvolumens unter sich auf. Vier von ihnen liegen in der Schweiz: PAMP, Metalor, Argor Heraeus und Valcambi. Weitere führende Goldraffinerien sind Heraeus Edelmetalle im deutschen Hanau, Rand Refinery in Südafrika, Tanaka Kikinzoku Kogyo in Japan und Perth Mint in Australien.
Rund 20 Prozent des weltweit produzierten Goldes werden laut einer Schätzung der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (UNIDO) von kleinen, meist illegalen Betrieben gefördert und verarbeitet. Auch auf den Philippinen, die derzeit Platz 19 der weltweiten Goldproduzenten belegen, holen hauptsächlich Kleinschürfer das Gold aus dem Boden. Zehn bis 15 Millionen Minenarbeiter beschäftigt der Gold-Kleinbergbau in mehr als 70 Ländern weltweit, darunter geschätzte vier bis fünf Millionen Frauen und Kinder. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt den Anteil an Minderjährigen unter den Arbeitern auf 30 bis 50 Prozent, besonders hoch ist ihre Zahl in Niger und Burkina Faso.
Auf den Philippinen gibt es neben dem klassischen Gold-Kleinbergbau auch das sogenannte „Goldtauchen“, das ausschließlich auf dem südostasiatischen Archipel praktiziert wird. In Reisfeldern, Seen oder im offenen Meer tauchen junge Männer mit nur einem Seil um den Körper gebunden durch einen Holzschacht in zehn bis 25 Meter Tiefe – oft sogar ohne Taucherbrillen oder andere Schutzmaßnahmen. Luft kommt ungefiltert aus dem Kompressor-Schlauch. Ohne jegliche Sicht buddeln die Goldsucher stundenlang den goldhaltigen Schlamm aus der Tiefe. Eine lebensgefährliche Arbeit. Neben der Vergiftung durch einen unsauberen Kompressor oder durch die hochgiftigen Gase bei der anschließenden „Goldverbrennung“ sind einstürzende Schächte die häufigste Todesursache unter den Goldtauchern.
Rodrigo Santos, Amandas Bruder, ist einer dieser Goldtaucher. Jeden Tag taucht der 23-Jährige im See von José Panganiban in knapp 20 Meter Tiefe ab, um ein wenig Gesteinsschlamm an die Wasseroberfläche zu bringen. „Ich weiß nie, ob ich da lebend wieder herauskomme“, sagt er. „Einmal war es ganz knapp: Über mir brachen ein paar Brocken ab und ich fühlte, wie die Schlammmassen mich immer weiter in die Tiefe trieben. Glücklicherweise hatte ich noch das Seil um die Hüften und meine Kollegen oben am Schacht konnten mir helfen. So gelang es mir, mich mit letzter Kraft doch noch zu befreien.“ Im März 2015 hat die philippinische Regierung das Goldtauchen für illegal erklärt, aber in den goldreichen Provinzen ist es meist die einzige Einkommensquelle für die Bewohner. Und die Not ist stärker als die Paragrafen.
„Schmerzhafte Krämpfe im ganzen Körper“
Ist das Gold erst einmal gehoben, folgt auf die Goldreinigung der Verbrennungsprozess. Das zurückbleibende reine Gold ist meist so groß wie ein Reiskorn – die Tagesproduktion von Amanda und ihren drei Geschwistern. 200 Peso, umgerechnet rund vier Euro, zahlen ihnen die Goldhändler im Dorf dafür. Diese wiederum verkaufen das Gold an andere Mittelsmänner, danach verliert sich seine Spur. „Der Lohn ist gut“, sagt Amanda. „Er reicht aus, um Fisch und Reis für meine Familie zu kaufen.“
Auf den Philippinen beträgt das Bruttonationaleinkommen pro Kopf rund 300 US-Dollar monatlich, knapp 40 Prozent der Bevölkerung hat laut Weltbank lediglich rund drei US-Dollar am Tag zur Verfügung. Die junge Goldsucherin verarbeitet ihre Ausbeute jeden Tag selbst und atmet dabei hochgiftige Quecksilberdämpfe ein. Um Geld zu verdienen, ruiniert sie ihre Gesundheit, riskiert ihr Leben. Ein hoher Preis. „Am Abend habe ich oft schmerzhafte Krämpfe im ganzen Körper – oder ich fange an, unkontrolliert zu zittern“, sagt die 14-Jährige.
Offiziell ist Kinderarbeit auch auf den Philippinen verboten. Yuyun Ismawati, Umweltingenieurin und Preisträgerin des Goldman Environmental Prize, weiß jedoch, wie weit hier Gesetz und Realität meist auseinanderliegen: „In Asien und Afrika sieht man oft bereits fünf- oder sechsjährige Kinder, die schwere Arbeiten verrichten, um ihre Familien finanziell zu unterstützen.“ In dem südostasiatischen Inselreich arbeiten viele Kinder und Jugendliche auch als Goldschürfer in Bergtunneln, manchmal bis zu 70 Meter unter der Erde. Ihre Arbeit ist nicht nur durch das Tragen schwerer Lasten gesundheitsschädlich, sondern vor allem aufgrund der Verwendung von toxischen Chemikalien während der eigentlichen Goldgewinnung.
Juliane Kippenberg von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bestätigt diese Beobachtung. Sie hat zahlreiche Recherchen im Gold-Kleinbergbau durchgeführt und dabei in vielen Ländern – von Mali über Nigeria und Tansania bis hin zu den Philippinen und Indonesien – speziell im Hinblick auf die Kinderarbeit Parallelen festgestellt: „In all diesen Ländern arbeiten Kinder unter Tage, aufgrund von Armut. Sie gehen deshalb meist nicht zur Schule. Nicht selten sind sie von Unfällen wie Mineneinstürzen betroffen.“
Die zweite hier gängige Art der Goldgewinnung ist der Kleinbergbau, der wie das Goldtauchen in Schächten und Tunneln unter Tage betrieben wird. Hierbei wird meist Quecksilber genutzt, um elementares Gold – also ungebundenes, reines Gold – von Eisenerz zu extrahieren. Dabei werden Sand und Schlämme nach dem Waschen mit dem Schwermetall vermischt, das bei Raumtemperatur flüssig ist. Es verbindet sich mit dem enthaltenen Gold zu Amalgam. Diese silberfarbene Legierung wird anschließend erhitzt, das Quecksilber, ein starkes Zell- und Nervengift, verdampft und zurück bleibt kompaktes Rohgold. Statt Quecksilber kommt bisweilen auch Zyanid zum Einsatz, hauptsächlich im industriellen Bergbau.
„Eine besonders gefährliche und problematische Art des Quecksilbereinsatzes ist die sogenannte whole ore amalgamation, die in vielen Ländern Asiens und Afrikas praktiziert wird“, erklärt Juliane Kippenberg. „Bei dieser Methode wird der gesammelte Goldschlamm oder -sand in Trommeln gefüllt und mit großen Mengen Quecksilber vermischt.“ Bedenklich daran ist auch, dass das verwendete hochgiftige Quecksilber meist in Flüssen und Seen landet, das Grundwasser sowie unter Umständen die gesamte Unterwasserwelt vor der Küste samt den Korallen vergiftet – und über die Nahrungsmittelkette auch wieder den Menschen schädigt. Umweltingenieurin Yuyun Ismawati, die derzeit an der Ludwig-Maximilians-Universität in München zum Thema Quecksilber im Gold-Kleinbergbau forscht, weiß, wie fatal der Umgang mit dem Schwermetall für den Menschen ist: „Die gesundheitlichen Folgen sind meist irreversibel. Sie reichen von Schädigungen des Nervensystems und der Motorik bis hin zu Gedächtnisverlust und Persönlichkeitsstörungen.“
Seit Jahren kämpft Ismawati gegen den Einsatz von Quecksilber. Dem Quecksilberreport 2013 des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zufolge verdampfen jährlich weltweit über 700 Tonnen allein durch den Gold-Kleinbergbau. Das sind 30 Prozent aller von Menschen verursachten Quecksilberemissionen. Asien, insbesondere Ost- und Südostasien, verzeichnet daran den größten Anteil. „Hunderte Tonnen Quecksilber werden jährlich nach Indonesien geschmuggelt“, sagt Ismawati. „Bedauerlicherweise scheint das unsere Regierung nicht zu kümmern.“ Und das, obwohl Indonesien – wie rund 90 weitere Staaten – die 2013 von den Vereinten Nationen ausgehandelte „Minamata-Konvention“ unterschrieben hat, mit der Quecksilberemissionen weltweit eingedämmt werden sollen. Die meisten Unterzeichnerländer indes haben das Beschlossene noch nicht in nationales Recht umgesetzt.
Im Regenwald hinterlassen die Goldgräber toxische Wüsten
Neben dem Giftausstoß schädigt der unkontrollierte Goldabbau die Umwelt auch durch großflächige Grabungen, betont Ismawati: „Verlust von fruchtbaren Böden, Erdrutsche, Entwaldung, Wüstenbildung und die Anreicherung von Quecksilber in der Atmosphäre sind irreversible Schäden, die länger als ein Jahrhundert fortbestehen werden.“
Auch in Peru, wo der gesamte Bergbausektor in den frühen 90er Jahren einen Boom erlebte, kam es – vor allem im Amazonasgebiet – zu einem regelrechten Goldrausch. Laut der NGO Amazon Aid landen noch immer jedes Jahr bis zu 40 Tonnen Quecksilber im Amazonas. In den Flussniederungen in Südostperu halten sich Betreiber und Goldwäscher noch nicht einmal an die im Land geltenden Mindeststandards für den Einsatz giftiger Substanzen. Auch scheren sich die Schürfer nicht darum, ob sie mit ihren Grabungen gerade ein Stück Regenwald unwiederbringlich zerstören. Zurück bleiben nur toxische Wüsten. Da sich das an den Oberläufen der Flüsse abspielt, wird das gesamte Amazonassystem beeinflusst. Mehr als 50 000 Hektar Regenwald wurden so in den letzten Jahren zerstört.
In Peru ist der Goldabbau kein Bergbau im eigentlichen Sinne, sondern ein „Waschen“ von Flusssedimenten – zum Teil mit großen Maschinen, den sogenannten dragas. Vor allem in Flussablagerungen wie im Amazonasgebiet ist diese Methode weit verbreitet; aufgrund der hohen Dichte des Edelmetalls setzt sich das Gold schneller ab als der Sand und kann so abgetrennt werden. In Reinform ist diese Methode andernorts eher selten, zu viele Nachteile birgt sie für die Goldsucher: Sie ist zeitintensiv und die Ausbeute ist geringer als bei der Amalgamation unter Verwendung von Quecksilber.
Wie schlimm die Folgen der Goldgewinnung für Mensch und Natur tatsächlich sind, hängt auch von der Art der Goldverarbeitung und vor allem vom Quecksilbereinsatz ab. „Gutes Gold“, sagt Christof Schenck, Biologe und Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, „wird legal und unter strengen Umwelt- und Sozialstandards gewonnen und schafft zudem Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Landschaftseinflüsse.“ In Südamerika gibt es inzwischen die ersten Goldproduktionsstätten, die mit dem Fairtrade-Gütesiegel ausgezeichnet wurden. Dafür müssen sie eine Reihe von Kriterien erfüllen, zu denen geregelte Arbeitsbedingungen und Versicherungsschutz sowie die Einhaltung von Umweltauflagen gehören. Allerdings erlaubt Fairtrade unter Beachtung bestimmter Vergabebedingungen und Anwendungsbeschränkungen auch einen reduzierten Einsatz von Quecksilber und Zyanid. In einem aufwendigen Destillationsverfahren wird das Quecksilber jedoch immer wieder für den Produktionsprozess zurückgewonnen. Eine ebenfalls vergleichsweise umweltfreundliche Methode der Goldgewinnung ist das Borax-Verfahren, das vereinzelt auch im Kleinbergbau auf den Philippinen angewandt wird. Hierbei wird dem Goldsand Natriumborat beigemischt. So wird der Schmelzpunkt der Masse gesenkt und der Schmelzvorgang, bei dem sich das Gold am Grund des Tiegels absetzt, während die Gesteinsmaterialien nach oben steigen, erfordert weniger Energie.
Doch wie lässt sich herausfinden, unter welchen Bedingungen beispielsweise Goldschmuck produziert wurde? Den Goldpfad von der Produktion bis zum Konsum zu verfolgen, ist durch die Vielzahl der beteiligten Akteure extrem schwierig. „Wird Gold aus verschiedenen Quellen auf den Handelswegen zusammengeführt, und das beginnt schon bei den örtlichen Aufkäufern, ist keine Verfolgung der Herkunft, der Gewinnungsmethoden oder der Gesetzestreue mehr möglich“, betont Christof Schenck. „Schon gar nicht bei den großen Goldaufbereitungsanlagen, zum Beispiel in der Schweiz. Anders als bei manchen Metallen, etwa Coltan, gibt es kein fingerprinting.“ So wird ein forensischer Nachweis bezeichnet, bei dem chemische und mineralogische Parameter den geografischen Ursprung von mineralischen Rohstoffen eindeutig lokalisieren und somit auch illegale Lieferungen aus möglichen Konfliktregionen, aber auch Schutzzonen im tropischen Regenwald identifiziert werden können. Diese Methode ist allerdings sehr aufwendig und teuer und deshalb noch wenig verbreitet. Dazu kommen die langen, unübersichtlichen Lieferketten und das fehlende Interesse der meisten internationalen Firmen, diese zu überprüfen.
In den letzten zehn Jahren ihrer Recherchen im Gold-Kleinbergbau konnte Wissenschaftlerin Yuyun Ismawati beobachten, welche Akteure am meisten von dem Geschäft profitieren: Kapitalgeber, im Geheimen agierende Investoren, Transportunternehmer, Quecksilber- und Chemikalienhändler und letztendlich auch die Nettogoldkäufer, also die Zentralbanken. „Vor allem in Konflikt- oder Krisenregionen, wie zum Beispiel im Kongo oder in manchen südamerikanischen Ländern, in denen der Kleinbergbau von Drogendealern oder von Milizen organisiert wird, ist völlig unklar, wer die Goldkäufer sind“, so Ismawati.
Experten sind sich einig, dass Alternativen zum gängigen Produktionsmodell möglich sind. „Es gibt in der Tat für Mensch und Natur unbedenklichere Herstellungsmethoden, wie beispielsweise das Goldwaschen ohne Chemikalien, das auf rein mechanischen Prozessen beruht“, so Ismawati. Allerdings müsste das Verfahren genauestens geplant und stetig vor Ort kontrolliert werden, da für diese Prozesse etwa nur eine bestimmte Art Golderz verarbeitet werden könne. Derartige Alternativen sind jedoch dringend notwendig, denn: „Die größten Gold- und Mineralienvorräte der Welt werden bereits von großen Bergbaufirmen ausgebeutet – und die restlichen Vorkommen liegen in Naturschutzgebieten und auf den Gebieten indigener Völker“, betont Ismawati. Im Grunde aber wäre es das Beste, gleich bei der treibenden Kraft dahinter anzusetzen: „Wir sollten endlich aufhören, in der Erde zu schaben, und stattdessen lernen, Gier und Konsum besser ins Gleichgewicht zu bringen.“
Quelle: SZ;7. November 2016, https://www.sueddeutsche.de/wissen/edelmetalle-toedliche-gier-nach-gold-1.3231437-3